Arbeitshypothesen un angestrebte Ziele
Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die allgemeine Hypothese, daß es spezifische Unterschiede in der Gestaltung und in der Bewertung der Wort-Bild-Beziehungen in der brasilianischen und deutschen Kultur gibt, die sich in den Medien zeigen. Diese Rahmenhypothese wird in drei Teilhypothesen differenziert: Die erste Teilhypothese besagt, daß sich die Besonderheiten der verschiedenen Formen der Wort-Bild-Beziehung und die Frage nach den interkulturellen Unterschieden hierbei prototypisch am Beispiel des Mediums Zeitung aufzeigen lassen. Im einzelnen soll der Teilhypothese nachgegangen werden, ob und inwiefern es zutrifft, daß deutsche Zeitungen mehr den geschriebenen Text als das Bild privilegieren, während die brasilianische Presse dem Visuellen in der Botschaft der Zeitung einen größeren Stellenwert einräumen. In engem Zusammenhang mit dieser Teilhypothese steht die Annahme, daß das Medium Zeitung Standards der Lesbarkeit, Erwartungshaltungen und der Empfindsamkeiten erzeugt, die bis zu einem gewissen Grade das Vermögen der Absorption und der Prägung eines kulturellen Profils einer Kultur beinhalten. Als Hintergrund der angenommenen kulturellen Unterschiede in der Text-Bild-Beziehung soll auch die kulturgeschichtlichen Tatsachen berücksichtigt werden: Deutschland als eine Kultur mit einer langen literalen und eruditen Tradition im Gegensatz zu Brasilien als einer eher oralen und visuellen Kultur mit einem abrupten Übergang zur literalen Kultur, die sich im Brasilien der Massenkultur eigentlich eigentlich nie völlig sedimentiert hat, wie man leicht an der kolossalen Geschwindigkeit der Verbreitung der Medien Radio und Fernsehen in der Geschichte Brasiliens erkennen kann. Die zweite Teilhypothese hinterfragt die erste auf dem Wege einer Gegenhypothese. Diese lautet: Die Globalisierung der Ökonomien und die weltweite Verbreitung der Kulturen haben die Neutralisierung der kulturellen Differenzen zwischen Deutschland und Brasilien und eine Tendenz zur Homogenisierung in der Behandlung der Text-Bild-Beziehungen zur Folge. Zum Test dieser Hypothese eignen sich die Plakatierungen im öffentlichen Raum, die Outdoors. Im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung verbreiten dich die multinationalen Konzerne weltweit, ihre Produkte scheinen überall die gleichen zu sein. Ist auch ihre Werbung die gleiche? Oder machen sich in der Werbung nicht doch die kulturspezifischen Unterschiede weiterhin bemerkbar? Die dritte Teilhypothese soll zu einer Synthese von These und Antithese führen: Wenn die kulturelle Globalisierung der Kulturen die kulturellen Differenzen zwischen den Wort-Bild-Beziehungen aufzuheben droht, so muß dies in ganz besonderer Weise für die Hypermedien gelten, deren Programme (softwares) weltweit die gleichen sind. Oder, so bleibt genauer zu untersuchen, gibt es nicht doch verborgene Unterschiede, die bei der Handhabung dieser Programme zu Tage treten? Diese dritte, als Synthese gedachte Hypothese bedarf einer genaueren Prüfung. Da die Technologien der Produktion in den Hypermedien durch eine Vielzahl interdisziplinärer Fähigkeiten bestimmt sind, artikuliert sich die Wort-Bild-Beziehung in der hypermedialen Schreibweise auf eine flexiblere Weise. In den Dokumenten der Hypermedien gibt es nämlich eine Tendenz zu einer gleichgewichtigen Bedeutung der verschiedenen Register, in diesem Fall von Text und Bild, und dies relativiert die traditionelle Bedeutung der Text-und-Bildreation in den Medien, z.B. in der Presse. In den Hypermedien ist nämlich der Text nicht notwendigerweise narrativ oder etwa deskriptiv, und das Bild ist nicht notwendigerweise bloß illustrativ oder bestätigend, wie so oft in der Zeitung. Vom Gesichtspunkt der Sprache aus erlauben die Hypermedien also eine größere Universalität der Kodifizierung in einer Art Globalisierung der symbolischen Prozesse analog zum Prozeß der kulturellen Annäherung, welche die neuen Kommunikationstechnologien stimulieren. In diesem Sinn erlaubt ein Vergleich zwischen den Programmen für die Hypermedien in Deutschland und Brasilien nach der dritten Teilhypothese eine Feststellung möglicher universalisierender Charakteristika in diesem neuen Medium. In diesem Kontext sind die zwei am dringendsten zu beantwortenden Fragen: Sind die Hypermedien eine schriftliche Form der Globalisierung, welche die kulturellen Grenzen zwischen den Ländern - in diesem Fall Brasilien und Deutschland -zu durchbrechen vermögen. Ist diese eventuelle Universalität ein Merkmal des Kodes oder eine Konsequenz der Technologie? Ist sie also ein Ergebnis der hybriden Mischung von Text und Bild im gleichen Medium wie in der Werbung oder ist sie die Konsequenz der Konnektivität, welche die telematischen Technologien ermöglichen?
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